Regierbar bleiben

Regierbar bleiben - Qualität behalten


bz-Standpunkt 19.07.2003

Mit dem Argument, dass die schweizerische Demokratie auf dem Willen des ganzen Volkes beruhe, bearbeitet die SVP eines ihrer Lieblingsthemen: Die Volkswahl des Bundesrates. Unlängst auch in der bz als Standpunkt des Basler Nationalrates Dunant.

Es gehört zu den politischen Reflexurteilen, dass eine Wahl nur dann demokratisch sei, wenn sie an der Urne erfolge. Eine demokratisch erfolgte Wahl durch ein Gremium, das seinerseits demokratisch - zum Beispiel an der Urne -zustande gekommen ist, kann weit mehr "Demokratie" enthalten, als so manche Urnenwahl. Die Volkswahl des Bundesrates wäre mit Sicherheit von starken Kräften beeinflusst, die keine Leuchttürme des Volkswillens wären. Zunächst könnte nur noch in die Landesregierung gewählt werden, wer über enorme Propagandamittel verfügt. Die vorausgegangene Publizität und die Medientauglichkeit bekämen ein Gewicht neben dem Fachbefähigung, Führungseignung und Politikerfahrung verblassen würden. Die zahlenmässige Ungleichgewichtigkeit der drei Kulturkreise in unserem Lande erforderten Regelungen, die der lateinischen Schweiz ihre Vertretung sichern könnten. Dies wäre nur mit gesetzlichen Bestimmungen möglich, die dann im Ergebnis Kandidaten aus der Deutschschweiz mit weit höheren Stimmenzahlen am Eintritt in die Landesregierung hindern würden zugunsten von Kandidaten aus der lateinischen Schweiz. Und das wäre dann demokratisch? Formal rechtlich und politisch schon, aber wohl kaum in der Beurteilung jener parteipolitischen Kreise, die wegen des Mechanismus' unterliegen. Das Legitimitätsdefizit läge auf der Hand. Und Medien liessen sich für die entsprechenden Missmutskampagnen sicher auch finden.

Entscheidend ist für mich aber etwas ganz anderes. Unser Land hat heute schon einige Probleme damit, ob es überhaupt regierbar bleiben kann. Unser Parlament ist im Vergleich zu ausländischen geschwächt, indem Parteien, Verbände und Wirtschaftsgruppierungen, die referendumsfähig sind, die parlamentarische Arbeit massiv mitgestalten können. Und zwar allein schon damit, dass sie eben referendumsfähig sind, also in der Lage sind, ein Referendum erfolgreich zu ergreifen. Das ist an sich noch nicht schlecht, aber wir haben diese Tatsache zu akzeptieren. Denn damit sind oft Lösungen, die im Gesamtinteresse nötig wären, nicht oder nur sehr schwer zu realisieren.

Die Volkswahl des Bundesrates würde dem nun noch einen obendrauf setzen. Wenn ein Sachgeschäft der Bundespolitik an die Urne kommt, so handelt es sich immer um Beschlüsse von National- und Ständerat. Davon ausgenommen sind Initiativen, und bei diesen gibt es noch eine Abstimmungsempfehlung des Parlamentes und meistens einen Gegenvorschlag. In der ganzen Publizität und dem politischen Kampf um die Abstimmung sind aber eigenartigerweise nie National- und Ständerat im Brennpunkt, es sind immer die einzelnen Bundesräte. Die Mitglieder der eidgenössischen Räte dürfen sich sogar das Recht nehmen, in der Volksabstimmung eine Vorlage des Parlamentes zu bekämpfen. Demgegenüber erwartet man von den Mitgliedern des Bundesrates, dass sie sich für Vorlagen ans Volk einsetzen, selbst dann, wenn ihnen die Bundesversammlung die ursprüngliche Vorlage arg zerzaust hat. Dieser Politik-Mechanismus hat für mich manch Fragliches, ist aber an sich auch noch nichts Schlechtes. In der Kombination mit einer Volkswahl des Bundesrates hingegen entsteht eine explosive Mischung.

Unsere Landesregierung ist wie auch die kantonalen und die kommunalen Exekutiven auf eine Amtszeit gewählt. Damit sind auf allen Stufen des Staates diese Behörden nicht von jeweils wechselnden und auch zufälligen politischen Mehrheiten legitimiert und dadurch von diesen situativ abhängig. Die Wahl auf Amtsdauer von Regierungen dient der Stabilität und bildet im System das Gegengewicht zu den laufenden Sachabstimmungen des Volkes an der Urne. Oder anders herum: Eine Niederlage an der Urne bei einer Sachabstimmung löst noch keine Regierungskrise aus. Das würde es bei einer Volkswahl des Bundesrates wohl auch noch nicht. Aber die Regierbarkeit unseres Land wäre mit Sicherheit massiv beeinträchtigt. Wie lange und wie oft könnte denn ein Bundesrat mit Sachgeschäften an der Urne unterliegen und dennoch im Amt bleiben? Je nach parteipolitischer Zugehörigkeit einige wenige Male oder gar nur ein einziges Mal. Mit der Volkswahl entstünde das grosse Problem, dass Sachabstimmungen immer wieder zu Plebisziten über ein einzelnes Bundesratsmitglied verbogen würden. Übrigens durchaus in beiden Wirkungsrichtungen: Entweder man bekämpft über die Urnenabstimmung ein Bundesratsmitglied oder man instrumentalisiert eine Sachabstimmung zu einer Zustimmungskampagne für ein Mitglied der Landesregierung. Und das alles, obwohl das Volk eigentlich über einen Entscheid der Bundesversammlung zu befinden hat. Eine unmögliche Situation.

Die Zukunft wird unserem Land vermehrt schwierige Entscheide abverlangen, um die wir uns nicht herumdrücken können. Deshalb muss das politische System gewährleisten, dass wir solche Entscheide auch treffen können. Dies geht meines Erachtens auf Bundesebene nicht in der Kombination von Volkswahl der Regierung und ausgiebiger Referendumsdemokratie. Deshalb ist für mich nicht die Frage zu beantworten: Mehr Demokratie mit der Volkswahl der Bundesräte? Für mich heisst die Frage: Weitgehende Mitwirkung des Volkes bei Sach- oder bei Personenentscheiden? Aufgrund der föderalistischen und kulturellen Struktur unseres Landes und seiner Mechanismen in der Politik lässt sich nicht beides haben. Ich möchte wirkliche Sachentscheidungen an der Urne und Qualität in der politischen Arbeit beibehalten.

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